Ab 2. Juli 2023 wird die EU-Whistleblower-Richtlinie auch in Deutschland umgesetzt.

Nachdem der Bundesrat zunächst seine Zustimmung zu dem Gesetz verweigert hat, der Vermittlungsausschuss eingeschaltet worden ist und Deutschland wegen Verzögerungen bei der Umsetzung der europäischen Whistleblower-Richtlinie vor dem EuGH verklagt wurde, tritt das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) nun mit etlicher Verzögerung am 2. Juli 2023 in Kraft.  

Was sind die Ziele des Hinweisgeberschutzgesetzes? 

Die EU-Whistleblower-Richtlinie sowie das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz dienen der Einrichtung eines europaweit einheitlichen Hinweisgeberschutzsystems.  

Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden (hinweisgebende Personen), können nach Ansicht der Gesetzgeber erheblich dazu beitragen, Missstände aufzudecken, die durch das Fehlverhalten von Personen entstehen. Dadurch können die negativen Konsequenzen abgewehrt werden, die sich aus dem Fehlverhalten ergeben.  

Durch das ab dem 2. Juli 2023 geltende Hinweisgeberschutzgesetz sollen hinweisgebende Personen (Whistleblower) in Deutschland besser geschützt werden. Benachteiligungen, wie zum Beispiel Repressalien aufgrund einer Meldung, sollen von vornherein ausgeschlossen werden.  

Wer kommt als Hinweisgeber in Betracht?

Durch das Gesetz geschützt werden alle Personen, die im beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben. Nicht nur Arbeitnehmer und Beamte, sondern auch Praktikanten, Freiwillige und Anteilseigner sowie externe Auftragnehmer und Lieferanten fallen darunter.

Hinweisgebende Personen, die rein privat erlangte Informationen über Verstöße bekannt geben wollen, werden durch das Gesetz nicht geschützt.

Welche Verstöße können gemeldet werden? 

Neben straf- und bußgeldbewehrten Verstößen fallen unter anderem auch sonstige Verletzungen von Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Union und der Europäischen Atomgemeinschaft in den Anwendungsbereich des Gesetzes (§ 2 HinSchG).  

Verstöße gegen unternehmensinternes Recht sind nicht erfasst, wenn sie nicht zugleich auch eine Verletzung des Hinweisgeberschutzgesetzes darstellen. So gehören zum Beispiel interne Richtlinien im Compliancebereich, wie eine Unterschriften-, IT- oder Reisekostenrichtlinie, nicht zum Regelungsbereich des Gesetzes. 

Was bedeutetet das neue Hinweisgeberschutzgesetz für die Unternehmen? 

Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeitern müssen ab dem 2. Juli 2023 interne Meldestellen einrichten, an die sich Beschäftigte wenden können, um Informationen über bestimmte Verstöße anzuzeigen.

Für Unternehmen mit mindestens 50 bis 249 Mitarbeitern gibt es eine Übergangsfrist. Die Einrichtung interner Meldekanäle muss dort bis zum 17. Dezember 2023 erfolgen.

Mein Unternehmen fasst weniger als 50 Beschäftigte, bin ich zur Einrichtung von internen Meldekanälen verpflichtet? 

Eine Einrichtung von internen Meldestellen für Unternehmen und Dienststellen mit weniger als 50 Mitarbeitern besteht nur in den Bereichen der Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte, bei denen die Gefahr der Möglichkeit zur Geldwäsche und Terrorfinanzierung gegeben ist. Ausdrücklich gehören dazu z. B. Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Datenbereitstellungsdienste, Börsenträger sowie Kapitalverwaltungsgesellschaften und Unternehmen, die unter das Versicherungsaufsichtsgesetz fallen (§ 12 Absatz 3 HinSchG).

Darüber hinaus können aufgrund europarechtlicher Vorgaben auch Unternehmen aus anderen Bereichen mit weniger als 50 Beschäftigten nach einer durch die Mitgliedstaaten vorzunehmenden Risikobewertung zur Einrichtung interner Meldekanäle verpflichtet werden. Dies gilt zum Beispiel bei Risiken für die öffentliche Gesundheit oder Umwelt (Richtlinie (EU) 2019/1937 Artikel 8 Absatz 7). Ob eine solche Risikobewertung erfolgt, liegt im Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten.

Welche Anforderungen sind bei der Einrichtung interner Meldestellen zu beachten? 

Im Gegensatz zum Entwurf der Bundesregierung besteht im Gesetz nunmehr ausdrücklich keine Verpflichtung mehr, die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen (§ 16 Absatz 1 HinSchG).

Unternehmen sollen allerdings Anreize dafür schaffen, dass sich Hinweisgeber vor einer Meldung an eine externe Meldestelle zunächst an die jeweilige interne Meldestelle wenden.   

Nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen dürfen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben. Die betroffenen Unternehmen müssen sicherstellen, dass keine unberechtigte Person Zugriff auf die Meldungen hat und somit sowohl Wissen über die Identität der hinweisgebenden Person als auch über den gemeldeten Verstoß erlangen kann. 

Die mit den Aufgaben einer internen Meldestelle beauftragten Personen müssen ihre Tätigkeit unabhängig ausüben. Sie dürfen neben ihrer Tätigkeit für die interne Meldestelle andere Aufgaben und Pflichten wahrnehmen. Es ist dabei sicherzustellen, dass derartige Aufgaben und Pflichten nicht zu Interessenkonflikten führen (§ 15 Absatz 1 HinSchG).

Interne Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen. Mündliche Meldungen müssen per Telefon gemeldet werden können oder über eine anderweitige Sprachübermittlungstechnik. Zusätzlich ist für hinweisgebende Personen eine angemessene Zeit für ein persönliches Zusammentreffen in der internen Meldestelle einzurichten um die Meldungen entsprechend entgegen nehmen zu können. Der hinweisgebenden Person soll zudem ermöglicht werden, die Dokumentation der Meldung zu prüfen, zu korrigieren und durch Unterschrift zu bestätigen. 

Wie verhält sich die Einrichtung von Meldestellen bei Konzernen? 

§ 14 HinSchG erlaubt es, einen „Dritten“ mit den Aufgaben einer internen Meldestelle zu betrauen. So können Compliance-Ombudspersonen, zum Beispiel externe Rechtsanwälte, beauftragt werden. Dadurch wird jedoch nicht der betrauenden Beschäftigungsgeber von der Pflicht entbunden, selbst geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um einen etwaigen Verstoß abzustellen.

Wie gestaltet sich das Verfahren bei internen Meldungen? 

Die interne Meldestelle soll

  • der hinweisgebenden Person den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen bestätigen, 
  • prüfen, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 fällt, 
  • mit der hinweisgebenden Person Kontakt halten, 
  • die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung prüfen, 
  • bei der hinweisgebenden Person erforderlichenfalls weitere Informationen erbitten, 
  • angemessene Folgemaßnahmen nach § 18 ergreifen (z.B. interne Ermittlungen durchführen oder an andere zuständige Stellen verweisen, Verfahren abschließen).

Was gilt für die hinweisgebenden Personen?

Hinweisgebende Personen können bei einer Meldung zwischen der internen Meldestelle des Unternehmens sowie einer durch den Bund und die Länder zu errichtenden externen Meldestelle wählen.  

Im Gegensatz zu den Gesetzesentwürfen sollen nunmehr Hinweisgeber die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen, wenn intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten.

Zudem gilt: wird einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen, kann die hinweisgebende Person sich anschließend an eine externe Meldestelle wenden (§ 7 Absatz 1). 

Wie wird der Schutz der Vertraulichkeit für hinweisgebende Personen gewährleistet?

Zum Schutz der Vertraulichkeit werden die betroffenen Unternehmen verpflichtet, nur den für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen zu ermöglichen.  

Dabei müssen diese Unternehmen sicherstellen, dass keine unberechtigte Person Zugriff auf die Meldungen hat und somit sowohl Wissen über die Identität der hinweisgebenden Person als auch über den gemeldeten Verstoß erlangen kann.  

Kann innerhalb des Unternehmens die geforderte Unabhängigkeit und Vertraulichkeit nicht gewährleistet werden, können Compliance-Ombudspersonen, zum Beispiel externe Rechtsanwälte, beauftragt werden. Auch haben Unternehmen mit mindestens 50 bis 249 Arbeitnehmern die Möglichkeit, die zur Entgegennahme einer Meldung und die Folgemaßnahmen betreffenden Ressourcen zu teilen. Betroffene Unternehmen, die über eine Compliance-Abteilung verfügen oder Compliance-Beauftragte haben, bieten sich diese als Ansprechpersonen an. Der Schutz gilt nach § 33 HinSchG für hinweisgebende Personen, sofern 

  • diese eine „interne Meldung“ oder „externe Meldung“ erstattet haben, im Ausnahmefall wird auch eine Offenlegung geschützt, 
  • die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die von ihren gemeldeten oder offengelegten Informationen der Wahrheit entsprechen, und 
  • die Informationen Verstöße betreffen, die in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, oder die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung oder Offenlegung hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass dies der Fall sei. 

Was bedeutet die Beweislastumkehr für Unternehmen? 

Will eine hinweisgebende Person gerichtlich gegen Repressalien vorgehen, die nach einer Meldung erfolgt sind und nach Ansicht der hinweisgebenden Person im Zusammenhang mit der Meldung stehen, so wird es für den Hinweisgeber nahezu unmöglich sein, dies vor Gericht beweisen zu können.

Daher gilt in einem solchen Fall die Beweislastumkehr. Bringt die hinweisgebende Person die Vermutung einer Repressalie vor, so muss im Fall einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht der Hinweisgeber, sondern das Unternehmen beweisen, dass es keine Repressalien gibt, die im Zusammenhang mit der erfolgten Meldung stehen.

Was geschieht bei einer Falschmeldung durch eine hinweisgebende Person? 

Die Meldung von falschen Verstößen kann weitreichende Folgen für die betroffenen Personen haben. Oft lassen sich die Auswirkungen nicht mehr in Gänze rückgängig machen. Allerdings sollen keine überhöhten Anforderungen an hinweisgebende Personen in Bezug auf Richtigkeit der Meldungen gestellt werden. So besteht der Schutz von hinweisgebenden Personen auch, wenn sich herausstellen sollte, dass die Meldung eines Verstoßes nichtzutreffend ist, die hinweisgebende Person aber zum Zeitpunkt der Meldung davon ausgeht, dass der Hinweis zutrifft. 

Sollte sich die falsche Meldung eines Verstoßes jedoch als vorsätzlich herausstellen oder die hinweisgebende Person grob fahrlässig mit der Weitergabe von unrichtigen Informationen vorgehen, ist ein Schutz nicht gewährleistet.  In diesen Fällen ist die böswillig hinweisgebende Person zum Ersatz des Schadens nach § 38 HinSchG verpflichtet. 

Mit welchen Sanktionen und Bußgelder haben Unternehmen oder Dienststellen beim Verstoß gegen das Hinweisgeberschutzgesetz zu rechnen? 

Jegliche Verstöße gegen das Hinweisgeberschutzgesetz können als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden. 

Das trifft beispielsweise bei betroffenen Unternehmen zu, die keine interne Meldestelle einrichtet, oder Meldungen von hinweisgebenden Personen verhindert oder gar Repressalien gegen diese Personen ergreifen.  

Ebenso ist auch die wissentliche Offenlegung von unrichtigen Informationen mit einem Bußgeld versehen, wie auch die vorsätzliche oder leichtfertige Nichtwahrung der Vertraulichkeit. 

Ordnungswidrigkeiten können mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 50.000 € geahndet werden. 

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