Compliance-Skandale braucht naturgemäß kein Unternehmen. Die Angst vor einem Imageverlust, der Gefährdung der Unternehmensexistenz und vor der persönlichen Haftbarkeit sind durchaus in den Unternehmen präsent. Weniger präsent ist, dass Compliance eine wesentliche Voraussetzung für eine nachhaltige Unternehmenskultur ist, denn ohne einen gewissen Grad an Rechtssicherheit lässt sich kein Image mit Nachhaltigkeit aufbauen, und Nachhaltigkeit zunehmend ein Erfolgsfaktor für Unternehmen wird.

So wählt die in Deutschland stark angestiegene Zahl der privaten Aktionäre ihr Portfolio zunehmend nach Nachhaltigkeitskriterien aus. No-Gos sind Kinder- und Zwangsarbeit, Produktion von Handfeuerwaffen und Landminen sowie Ölbohrungen in der Arktis. Nur bei geringem Anteil vom Umsatz werden hingegen noch Massentierhaltung und Rüstungsgüter von einigen Anlegern geduldet. [WirtschaftsWoche]

So landen in die Top Ten von Netflix und Co. immer wieder spannend inszenierte Dokumentationen wie Seaspiracy, die der Nachhaltigkeit des Handelns von Unternehmen und Konsumenten auf den Grund gehen. Auf die Art entwickelt sich langsam aber sicher ein starker Gegenpol zur bisher eher einseitig geführten Marketing-Kommunikation der Unternehmen. Bis man sich konstruktiv in der Mitte trifft, wird es wohl noch ein Weilchen dauern.

So gehen auch die Gesetzgeber dieser Sache mehr und mehr nach und schreiben ein Mindestmaß an Nachhaltigkeit vor -  z.B. mit dem kommenden Lieferkettengesetz. Statt dies als Problem zu behandeln, kann es vielmehr eine Chance sein, wie hier noch ausgeführt wird.

Compliance und Nachhaltigkeit gehen also miteinander einher und sind Erfolgsfaktoren für das Unternehmen. Die häufigsten Fehler für das Scheitern einer Unternehmens-Compliance untersuchen wir nachfolgend.

1. Die eigene Führung bekennt sich nicht zur Compliance

Der Fall Wirecard macht es deutlich: Die eigene Compliance-Abteilung war ein reines Schauspiel. Verdachtsfälle, welchen die Compliance-Abteilung durchaus nachgegangen war und durch die das unlautere Geschäftsgebaren von Wirecard aufgedeckt worden wäre, wurden vom Wirecard-Vorstand zur "Chefsache" erklärt - und schließlich von diesem unter den Tisch fallen gelassen. [WirtschaftsWoche]

Compliance-Anforderungen können letzten Endes nur so gut erfüllt werden, wie der "Chef" es zulässt. Die Geschäftsführung bzw. der Vorstand müssen

  • ein klares Commitment zur Compliance nach innen für alle Mitarbeiter und nach außen für alle Stakeholder abgeben (Welchen Stellenwert hat Compliance? Welche internen Leitlinien sind einzuhalten? Welche Ziele hat diesbezüglich das Unternehmen? Wie sollen diese Ziele erreicht werden?)
  • Ressourcen und Befugnisse (personell, Arbeitsmittel, Tools) zur Verfügung stellen, damit Mitarbeiter überhaupt in die Lage versetzt werden, den Compliance-Zielen nachgehen zu können
  • selbst ein Vorbild sein und sich aktiv einbringen. Vor allem die eigenen Mitarbeiter spüren, ob man es ernst meint oder tatsächlich nur "schauspielert", weil der "eigene Hintern" aus der Schussbahn geschaffen werden soll.

Diese Bedingungen sind leider häufig nicht gegeben. Aber warum soll ich mich als Angestellter um etwas bemühen, wenn ich genau weiß, dass mein Chef mich dafür nie loben wird? (Vielleicht sogar noch eher kritisieren wird, weil andere Dinge wichtiger sind.) Wenn Sie unter solchen fehlenden Voraussetzungen als Angestellter mit Compliance-Themen beauftragt sind, können Sie

  • kommende große Rechtsänderungen wie das Lieferkettengesetz und die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie damit verbinden, Ihre Geschäftsführung zu einem Compliance-Commitment zu bewegen
  • abwarten, bis sich die Führungsetage personell ändert (und damit vielleicht besserer "Nährboden" für Compliance geschaffen wird) oder
  • kündigen (wenn Sie merken, dass Ihre Wertvorstellungen nicht mit denen des Arbeitgebers harmonieren).

Erfolgreich können Sie sonst nicht mit Ihren Compliance-Aufgaben werden.

2. Die Organisation ist mangelhaft und intransparent

Werden Ressourcen nur halbherzig geschaffen, mangelt es letzten Endes eben häufig an diesen und an eindeutigen Zuständigkeiten. Symptome für diesen Organisationsfehler sind häufig:

  • das Qualitätsmanagement bekommt zusätzliche Themengebiete wie z.B. Sicherheit oder Umwelt,das eigentliche Tagesgeschäft ist aber die Qualität, denn "damit verdient man ja eigentlich sein Geld")
  • häufige Diskussionen drehen sich um Zuständigkeiten - "da müsste doch xy zuständig sein"
  • es fallen häufig Sätze in der Art "Ich würde mich gerne stärker drum kümmern, wenn ich könnte."
  • selbst gesetzlich geforderte Beauftragte sind nicht bestellt
  • Zuständigkeiten werden ohne Blick für die dafür erforderlichen Qualifikationen vergeben

Eine weitere Gefahr ist, dass eine abteilungsübergreifende Zusammenarbeit, z.B. die zentrale EHS-Abteilung mit Betreibern aus der Produktion, kaum gefördert wird und somit

  • Verantwortung eher den anderen zugeschoben wird und nicht im Sinne des Unternehmens gemeinschaftlich geklärt wird, wer was macht
  • Risiken heruntergespielt werden, damit die eigene Abteilung gut dasteht.

Was den ständigen Streitpunkt zwischen Betreibern und Beauftragten angeht:

  • ja klar, der Betreiber hat formell die eigentliche Verantwortung und eine Holschuld gegenüber den Beauftragten, sich hier unterstützen zu lassen
  • als Beauftragter kann man sich deswegen aber lange nicht "zurücklehnen" - wenn er seinen Job gut macht, wirkt er proaktiv daraufhin, den Betreiber zu beraten (Bringschuld)

Ein Leiter der Instandhaltung, der zurückmeldet, dass er mit Prüfpflichten nichts zu tun habe, weil entsprechende Arbeitsmittel nicht in seiner Instandhaltungs-Abteilung vorhanden seien, jedoch natürlich in den Betreiberbereichen vorhanden sind, die durch seine Abteilung betreut werden, hat etwas grundsätzlich falsch verstanden und sollte nicht mehr als Führungskraft tätig sein dürfen.

Was also tun? Die Zusammenarbeit stetig fördern und die Teams abteilungsübergreifend je nach "Projektziel" sinnvoll zusammenstellen. Ein Beispiel, wo dies sogar gesetzlich gefordert ist, ist die Gefährdungsbeurteilung. Warum diese nicht auch kreativ ausbauen, um weitere Compliance-Risiken transparent zu bewerten? Es ist in der Theorie eine schöne Gelegenheit, bei der abteilungsübergreifend zusammengearbeitet wird. Schade, dass dieser Hebel für mehr Rechtssicherheit und einer nachhaltigen Unternehmenskultur in der Praxis kaum genutzt wird. - Es ist leider keine Ausnahme, dass Gefährdungsbeurteilungen als "one-person-show" erstellt werden.

3. Nicht-Einhaltung der "Guten-Management-Praxis"

Wenn die beiden Grundvoraussetzungen für einen guten Compliance-Status - Führung und Organisation - geschaffen sind, können Prozesse etabliert werden, die ein schnelles Erkennen und Umsetzen von Handlungsbedarf zur Erhöhung der Rechtssicherheit ermöglichen. Das Aufsetzen komplexer Prozesse funktioniert in Deutschland sehr gut - wir sind vor allem auch sehr gut darin, schlechte analoge Prozesse in schlechte digitale Prozesse zu transformieren ;-).

In einem Punkt der Guten-Management-Praxis läuft allerdings oft etwas schief. Die Kompetenz der eigenen Mitarbeiter, die die Prozesse leben sollen, wird vielfach nicht sichergestellt, da

  • neue Mitarbeiter kein vernünftiges "Onboarding" durchlaufen
  • Nachfolger in Schlüsselpositionen stümperhaft angelernt werden (als Dienstleister werden wir nicht selten von Nachfolgern zunächst gefragt: "Sind Sie für uns zuständig, bzw. haben Sie von uns einen Auftrag?")
  • Vertreterregelungen zu komplex beschrieben und eher formell gepflegt werden und in der Praxis oftmals nicht wirklich wirksam sind
  • regelmäßige Qualifizierungsmaßnahmen wie etwa Schulungen und Fortbildungen nicht durchgeführt werden.

Was nützen die besten Prozesse, wenn Sie von den Mitarbeitern nicht gelebt werden können?

Mit entsprechenden regelmäßigen Schulungsangeboten ließe sich schon viel an Kompetenz aufbauen - allerdings fehlt hier oft das Einsehen, diese auch zu bezahlen - womit der eigentliche Engpass häufig wieder bei der Führung und Organisation liegt.

4. Toxische Unternehmenskultur

Unternehmenskultur hört nicht an der Werksgrenze auf. Spätestens im Umgang mit Stakeholdern (Lieferanten, Dienstleister etc.) zeigt sich das wahre Gesicht der Unternehmenskultur. Aus unserer Sicht besonders toxisch, wenn Außenansichten nicht zugelassen werden. Manchmal kann es für uns als Berater schon frustrierend sein, wenn nicht auf unsere Erfahrung zurückgegriffen wird. Man meint es besser zu können und sieht uns eher als ausführendes Organ - nicht als Partner auf Augenhöhe. Betroffen sind oft alte Unternehmen, die Nachhaltigkeit mit Bewahrung von Tradition bzw. Selbstbewusstsein mit Überheblichkeit verwechseln. Anzeichen einer toxischen Unternehmenskultur aus Sicht eines externen Dienstleisters:

  • man geht automatisch davon aus, dass 60 oder 90 Tage für die Zahlungsfrist kein Problem sind ("Unser Zahlungsziel ist 90 Tage netto von dem Rechnungsdatum an, Sie haben 30 Tage im Angebot erwähnt. Dies wird von uns leider nicht akzeptiert.")
  • Deadlines werden sehr eng - ohne viel Spielraum - gesetzt, im Vorfeld hat aber der Vertriebsprozess schon mehr als ein Jahr gedauert
  • man lädt ohne vorherige Absprache zu Terminen ein - gerne auch mal Freitag nachmittags - ein
  • im Laufe des Projekts wird mantramäßig die Erwartungshaltung kommuniziert "ich erwarte, dass ...", "ich setze natürlich voraus, dass ..." - die sich allerdings schon aus der Beauftragung ergibt
  • gegenseitiges Vertrauen kann nicht aufgebaut werden; Misstrauen und penible Kontrollen, die sogar Deadlines gefährden, herrschen vor
  • ohne Blick auf übergeordnete Ziele und Zwecke des Projekts werden bewährte Vorgehensweisen und Empfehlungen des Dienstleisters ignoriert - man ist ja schon in der Ausführung des eigenen Plans
  • Anerkennung und Lob werden in keiner Form kommuniziert
  • nach Ablauf der 90 Tage Zahlungsfrist für die gestellte Rechnung, wird diese aufgrund eines Formfehlers abgelehnt - "... die Rechnungsadresse hatte sich ja zwischendurch geändert ... wir bitten um Stornierung und erneute Rechnungsstellung ..."

Gott sei Dank überwiegen die positiven Fälle. Kunden, die uns bitten, darauf aufmerksam zu machen, "wenn man sich in eine falsche Richtung bewegt". Kunden, mit denen wir gemeinsam neue Dinge ausprobieren und entwickeln können. Kunden, die uns von sich heraus weiterempfehlen. Kunden, mit denen wir einfach gerne zusammenarbeiten. Sie sind der Grund, weshalb wir von eco COMPLIANCE unserer Arbeit weiterhin mit viel Leidenschaft und Authentizität nachgehen - vielen herzlichen Dank!