Die neue Arbeitsmedizinische Regel AMR 6.7 stellt Arbeitgeber vor die Wahl weitere technische Schutzmaßnahmen gegen Schweißrauch-Expositionen zu treffen oder die Mitarbeiter gegen Pneumokokken zu impfen.

Die neue AMR 6.7 beschäftigt sich mit Pneumokokken. Dies sind opportunistische Keime. Sie sind bei circa 5 bis 20 % der Bevölkerung im Bereich der oberen Atemwege nachweisbar. Hierbei handelt es sich um eine Besiedlung ohne Krankheitswert. Bei Veränderung im Immunsystem können Pneumokokken nach lokaler Ausbreitung zu Infektionen des oberen und des unteren Atemtraktes führen und Erkrankungen in diesen Regionen hervorrufen (Sinusitis, Mittelohrentzündung, Pneumokokken-Pneumonie). Breiten sich die Erreger im Körper aus und verursachen Entzündungen weiterer Organe, z. B. des Herzmuskels oder der Hirnhäute, so wird dies als invasive Pneumokokken-Erkrankung (invasive pneumococcal disease – IPD) bezeichnet. Schwere Pneumokokken-Pneumonien sind oft mit einer invasiven Pneumokokken-Erkrankung verbunden.

Die Exposition gegenüber Schweißrauchen führt zu Veränderungen im Immunsystem, die eine spezifische Herabsetzung der Immunabwehr gegen Pneumokokken speziell im unteren Atemtrakt zur Folge haben kann. Für Schweißer ist im Vergleich zu Nichtschweißern eine Erhöhung der Inzidenz von Pneumokokken-Pneumonien und invasiven Pneumokokken-Erkrankungen epidemiologisch gesichert (Inzidenz ist die Anzahl neu auftretender Erkrankungen innerhalb einer definierten Personengruppe während eines bestimmten Zeitraums). Ein Schwellenwert für die erforderliche Höhe der Schweißrauchexposition kann epidemiologisch nicht sicher abgeleitet werden. Auf Basis der mechanistischen Untersuchungen in Zelltestungen und der Kollektivbeschreibungen in Humanstudien wird jedoch davon ausgegangen, dass hohe Schweißrauchexpositionen für eine Risikoerhöhung erforderlich sind. Aus den epidemiologischen Daten ist ableitbar, dass ein erhöhtes Risiko einer Pneumokokken-Infektion nur während der beruflichen Schweißrauchexposition besteht und nach deren Beendigung rasch auf das Ausgangsrisiko der Allgemeinbevölkerung abfällt.

Die Feststellung eines tätigkeitsbedingten und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhten Risikos einer Pneumokokken-Infektion ist Aufgabe des Arbeitgebers im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Der Arbeitgeber kann sich hierbei durch den Arzt beraten lassen. Die Gefährdungsbeurteilung muss erkennen lassen, dass für die Tätigkeit grundsätzlich, d. h. unabhängig vom einzelnen Beschäftigten, eine Impfung anzubieten ist.

Ein tätigkeitsbedingtes und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöhtes Risiko einer Pneumokokken-Infektion bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen durch Schweißen und Trennen von Metallen setzt voraus, dass bei der Tätigkeit eine relevante Exposition gegenüber Schweißrauchen besteht.

Schweißtechnische Verfahren, bei denen eine Luftkonzentration von 3 mg/m3 Schweißrauch in der Regel überschritten wird, wenn keine ausreichend wirksamen Schutzmaßnahmen bestehen, sind:

  • Lichtbogenhandschweißen (LBH) mit umhüllten Stabelektroden
  • Metallschutzgasschweißen (MSG) wie Metallaktivgas- und Metallinertgasschweißen (MAG, MIG) mit Massivdraht oder Fülldraht (einschließlich additiver Verfahren)
  • Abbrennstumpfschweißen
  • Thermisches Trennen (zum Beispiel Brennschneiden, Plasmaschneiden)
  • Laserstrahlschweißen
  • Laserstrahlschneiden
  • Brennfugen, Lichtbogen-Druckluftfugen
  • Thermisches Spritzen (zum Beispiel Flamm-, Lichtbogen-, Plasmaspritzen)

Schweißtechnische Verfahren, bei denen eine Luftkonzentration von 3 mg/m3 Schweißrauch in der Regel eingehalten wird, sind:

  • Gasschweißen (Autogenschweißen)
  • Wolframinertgasschweißen (WIG-Schweißen)
  • Mikroplasmaschweißen
  • Elektronenstrahlschweißen mit Einhausung – Gießschmelzschweißen (Thermitschweißen)
  • Widerstandsschweißverfahren (außer Abbrennstumpfschweißen) wie insbesondere Punktschweißen, Buckelschweißen, Rollennahtschweißen
  • Additive Fertigungsverfahren (zum Beispiel „3D-Druck“) mit Metallpulvern in geschlossenen Laserschmelzanlagen

Handlungsempfehlung

Schreiben Sie Ihre Gefährdungsbeurteilungen zu den Schweißtätigkeiten fort. Ergänzen Sie die Bewertung, ob ein erhöhtes Risiko einer Pneumokokken-Infektion besteht.

Das Ergebnis der Bewertung ist abschließend von Ihrem Betriebsarzt festzulegen. Sollte ein erhöhtes Risiko bestehen, ergreifen Sie entweder weitere (technische) Schutzmaßnahmen, um das Risiko auf das gleiche Risiko der Allgemeinbevölkerung zu senken, oder bieten Ihren betroffenen Mitarbeiten Impfungen an, die auch im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge durchzuführen sind. Als Arbeitsschutzmaßnahme sind die Kosten der Impfungen nicht von den Mitarbeitern, sondern von Ihnen als Arbeitgeber zu tragen.

Dies war ein Auszug aus der kommenden Juli-Ausgabe unseres Reports: