Was sind Technische Regeln und welchen Stellenwert haben sie auch rechtlich in unserer Arbeitswelt? Zuerst einmal handelt es sich um Empfehlungen, Handlungsanleitungen oder Vorschläge, wie ein Gesetz oder eine Verordnung eingehalten werden kann. Sie gliedern sich darüber hinaus zwangsläufig in verschiedenen Themengebiete auf. Dazu gehören beispielsweise DIN-Normen, Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS), Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen (RAB) oder die Arbeitsstättenrichtlinien. All diese Regelwerke konkretisieren Gesetze und Verordnungen.

Der Gesetzgeber formuliert zunehmend nur noch Schutzziele wie Sicherheit, Mangelfreiheit oder Gesundheitsschutz auf Ebene der Gesetze und Verordnungen. So heißt es beispielsweise in der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in § 1: „Diese Verordnung dient der Sicherheit und dem Schutz der Gesundheit der Beschäftigten beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten“. Der Anhang der ArbStättV regelt dazu Anforderungen und Maßnahmen für Arbeitsstätten. Hinweise zur spezifischen Umsetzung sind dort nicht zu finden. Suchen Sie beispielsweise konkrete Angaben zur Grundfläche eines Büroarbeitsplatzes, müssen Sie sich mit der Aussage zu einer „ausreichenden Grundfläche“ zufriedengeben (unter 1.2 „Abmessungen von Räumen, Luftraum“).

Gesetzliche Vorgabe: Einhalten von Schutzzielen

Das Beispiel zur Grundfläche in der Abeitsstättenverordnung zeigt, dass nur das jeweilige Schutzziel formuliert wird, in diesem Fall „Sicherheit und Schutz der Gesundheit der Beschäftigten“. Offen bleibt, unter welchen konkreten Voraussetzungen eine „ausreichende“ Abmessungen der Grundfläche von Räumen erreicht wird.

Da wo Gesetze und Verordnungen konkrete Angaben offenlassen, geht die zugehörige technische Regel in die Details. So präizsiert die Technische Regel für Arbeitsstätten unter ASR A1.2  die Abmessungen von Räumen und Bewegungsflächen in dem Beispiel. Es ergibt sich dort ein Flächenbedarf von 8 bis 10 m² pro Arbeitsplatz für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze (§ 5 Absatz 4). Wenn Arbeitgeber demnach die Bürogestaltung gemäß der ASR A1.2 anwenden, können sie von der Erfüllung der zugrunde liegenden gesetzlichen oder verordneten Anforderungen ausgehen. Solch eine Annahme wird auch Vermutungswirkung genannt.

Technische Regeln sind Stand der Technik

Die technischen Regeln geben zum Zeitpunkt der Bekanntgabe den aktuellen Stand der Technik, der Arbeitssicherheit und der Arbeitsmedizin sowie sonstiger gesicherter arbeitswissenschaftlicher Erkenntnisse wieder. Eben daher können Anwender dieser Regeln die Erfüllung der Vorgaben vermuten. Die angesprochenen Regeln sind zwar nicht rechtsverbindlich. Wenden Sie die Vorgaben nicht an, drohen Ihnen weder Bußgeld noch Strafe. Jedoch müssen Sie bei einer selbstgewählten Lösung mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für  Beschäftigte nachweisen.

Was würde dies für das Beispiel zur Grundfläche des Bildschirmarbeitsplatzes bedeuten? Anhand einer Gefährdungsbeurteilung wäre Beweis zu führen, dass ein Büro- und Bildschirmarbeitsplatz unter 8 m² gleichfalls das Schutzziel „Sicherheit und Schutz der Gesundheit des Beschäftigten“ der ASR A 1.2 erreicht. Denn ebendort wird die empfohlene Grundfläche zwischen 8 bis 10 m² benannt.

Tiefgehende Rechtskataster

Wenn Sie immer wieder Nachweis über die Wirksamkeit vom Regelwerk abweichenden Individuallösungen führen müssen, dürfte sich dies in der Praxis häufig als schwierig und wenig zielführend erweisen. Vor allem wenn es sich um sensible Themen wie technische Prüfungen handelt. Arbeitgeber sind gut beraten, die Vorgaben der Technischen Regeln als Maßgabe zu nutzen. Ihre Fürsorgepflicht gegenüber Mitarbeitenden durch Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen kann so unmissverständlich und nachweislich nachgekommen werden.

Aktuelle Rechtsinformationen sind für die schutzwirkende Umsetzung der technischen Regeln unerlässlich. Ein in die tiefe ermitteltes Rechtskataster ist dabei die erste Wahl. Nicht nur die Ermittlung der Einschlägigkeit auf Gesetzes- und Verordnungsebene zählt in diesem Falle. Wie in den eco COMPLIANCE Rechtskatastern sollten die Technischen Regelwerken ebenso mit aufgenommen werden wie Veröffentlichungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Selbst innerhalb des DGUV-Regelwerks konkretisieren sich offene Punkte oftmals entlang Vorschriften und Regeln bis in die Informationen. Bei der Vielzahl an Regelwerken bleibt eines wichtig: sich im Rechtskataster von Anfang an auf relevante Vorschriften zu konzentrieren. Nur so kann in der Praxis die zutreffende Regel zum passenden Schutzziel schnell identifiziert und ohne Umwege nachweislich eingehalten werden.